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“Menschen vernetzen und Gespräche zulassen” – Wissensmanagement im Kontext von Social Media

Für unseren Knowledge Jam@i-Know 2011 habe ich ein Interview mit Dr. Daniel Stoller-Schai geführt. Ich habe ihn auf der didacta Fachtung „Professional E-Learning“ kennen gelernt. Dr. Daniel Stoller-Schai arbeitet als „Head E-Learning Switzerland“ für die UBS AG und ist seit Jahren in der E‑Learning-Branche tätig. Im Interview geht es um Wissensmanagement im Kontext von Social Media.

 

 

Bitte vervollständigen Sie den Satz: Ein Unternehmen braucht Wissensmanagement, weil …

… Produkte und Services wissensintensiv sind und zur erfolgskritischen Schlüsselkomponente geworden sind.

Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Wissensmanagement? Was fasziniert Sie daran?

Das Thema „WM“ war vor 10-15 Jahren sehr aktuell. Heute wird der Begriff – aus was für Gründen auch immer – weniger verwendet. Die Bausteine des Wissensmanagements, wie sie zum Bsp. Probst et al. 1999 (Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen) beschrieben haben, sind immer noch aktuell. Seit rund 10 Jahren ist das „Cluetrain Manifesto“ ein weiteres Element in einer umfassenden WM Strategie. Und Jeff Howe hat mit „Crowdsourcing“ auf einen weiteren Aspekt aufmerksam gemacht. Das Thema geht also weiter, wenn auch immer wieder in anderen, neuen Formen und neuen Begrifflichkeiten. Das SKMF (Swiss Knowledge Management Forum) hat sich über all die Jahre mit dem Thema beschäftigt. Ich war dort zu Beginn dabei und freue mich, dass es weiterhin aktiv ist.

Was bedeutet für Sie erfolgreiches organisationales Wissensmanagement?

Man kann dies etwas lapidar auf den Punkt bringen: „Das richtige Wissen zur rechten Zeit am richtigen Ort bei der richtigen Person“. Aus Sicht der Organisation sind es die organisationalen Lernprozesse. Peter Senge hat auch hier schon vor Jahren mit der „5. Disziplin“ ein interessantes Konzept vorgelegt. Dieser Aspekt sollte systematischer umgesetzt werden, was in erster Linie eine Führungsaufgabe ist. Ich frage mich, warum organisationales Lernen und die Lernende Organisation nicht mehr ein Thema sind. Da liegt für mich noch viel Potenzial brach, das auch ein Wettbewerbsvorteil sein könnte.

Der Wissensmanagment-Killer: Was muss man tun, damit Wissensmanagement auf jeden Fall schief geht?

Technologien einführen, ohne zu wissen, für was man sie verwenden soll nach dem Motto „Hier haben wir eine Lösung – nun suchen wir das Problem dazu“. Erfolgreiches WM beginnt im Kopf, nicht bei den Tools.

Bedenkenträger sehen Probleme eher als Potentiale. Welche Bedenken haben Unternehmen bei der Einführung Social Software wie Blogs, Wikis oder Sozialen Netzwerken in Unternehmen?

Die üblichen Bedenken sind die folgenden: Die Mitarbeiter/innen „verschwenden“ Zeit mit allen möglichen Aktivitäten, Social Media am Arbeitsplatz führt zu Verzettelung / Fragmentarisierung der Lebenswelt (Habermas); zudem gibt es – zum Teil berechtigte – Bedenken bezüglich Sicherheit oder es ist schlicht Angst vor zu viel Transparenz und dem Abbau von Hierarchien. Gerade der letzte Punkt scheint ein Phänomen von Social Media zu sein. Wenn mehr Personen in einem Unternehmen mitreden können, dann nimmt der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ (wieder Habermas 🙂 zu. Dies ist per se eher hierarchieabbauend.

Welche Hürden sehen Sie auf Seiten der MitarbeiterInnen für erfolgreiches WM?

  • Zu hohe Arbeitslast, die es verunmöglicht, sich auf WM-Themen einzulassen.
  • WM-Ansätze, die nicht in den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden integriert sind und damit keinen offensichtlichen Nutzen bringen.

Was motiviert oder hindert Sie daran, eigene Erfahrungen und Wissen mit Kollegen auszutauschen?

Mich persönlich hindert nichts daran. Wer gibt, bekommt auch zurück.

Welche Unternehmenskultur schafft gute Voraussetzungen für erfolgreiches WM?

Offene, kommunikative und transparente Unternehmenskultur; das Topmanagement lebt sichtbar vor, was es von seinen Mitarbeiter/innen möchte. Wenn Blogs zum Firmenalltag gehören, die Chefs aber weder bloggen noch Blogs lesen, dann ist dies nicht glaubwürdig.

Welche Faktoren gefährden den Erfolg einer WM-Maßnahme?

Siehe das oben genannte. Oft werden WM Maßnahmen immer noch als zu abstrakt empfunden. Der Begriff schreckt viele ab. Dennoch passiert vieles, was eigentlich WM ist, aber nicht so benannt wird. Zudem: Basiert eine WM-Maßnahme auf Technologie, dann muss diese funktionieren, benutzerfreundlich sein (Usability) und visuell attraktiv sein (Visual Design).

Wie kann Wissensmanagement in einer Organisation als wertvoll betrachtet werden, ohne dass es direkten Output liefert?

Schwierige Frage: Wahrscheinlich dann, wenn sich die WM-Kultur zuallererst in einer offenen Kommunikations- und Unternehmenskultur äußert und dazu beiträgt, dass die Mitarbeitenden gerne für das Unternehmen arbeiten, weil sie erleben, dass ihre Kompetenzen gefragt, geschätzt und gefördert werden.

Welches ist die aus ihrer Sicht wichtigste technische Innovation, die das Wissensmanagement heute bestimmt?

  • Gute Kommunikations- und Kollabarationstools (Webconferencing, Mail, Chat, Groupspaces etc.) sind die Basis für kommunikationsorientiertes WM. Wie im „Cluetrain Manifesto“ beschrieben, geht es vor allem darum, Gespräche zu ermöglichen („Markets are conversations“).
  • Vernetzungsmöglichkeiten zwischen Menschen (ähnlich Facebook, Xing, LinkedIn etc.)

Ihr Unternehmen hat zusätzliche 100 000€ zur Verfügung, wie überzeugen Sie das Management, in WM zu investieren? Wie viel davon würden Sie in WM investieren?

Ich würde zuerst das Topmanagement in eine Retraite einladen und dort das Buch „Cluetrain Manifesto“ mit Ihnen lesen und sie mit interessanten Exponenten aus der WM und Social Media Szene zusammenbringen; dann würde ich sie überzeugen, eine konzernweite Jam-Session (ähnlich wie bei IBM) durchzuführen. Das Projekt, das von den Mitarbeitenden als bestes bewertet wird, bekommt die 100K € Startkapital.

Wenn Sie jeden Tag genau 7 Minuten für Wissensmanagement hätten: Wie würden Sie die nutzen?

Kontakte pflegen und meinen eigenen Blog weiterführen sowie je einen Film auf http://www.ted.com anschauen.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten 3 „hot topics“ der nächsten Jahre?

  • Kommunikation
  • Transparenz
  • Partizipation

Stellen Sie sich vor, es wäre „alles möglich“: Wie sähe das ideale Wissensmanagement aus?

Ich habe von überall Zugriff auf meine Wissensressourcen und mein Netzwerk; ich kann mich bei Bedarf aber auch „digital unsichtbar“ machen.

„Meine WM-Story“: Was Ihr größtes Aha-Erlebnis in Bezug auf das Thema Wissensmanagement?

Die virtuellen Konferenzen, die ich mit Menschen aus allen Regionen durchgeführt habe: WM ist auch ein Event; das wird leider viel zu wenig beachtet (vgl.  http://www.scribd.com/doc/33758891/Stoller-Schai-2007-%25C2%25BBMeet-peers-and-experts%25C2%25AB-Erfahrungen-mit-der-ersten-virtuellen-Konferenz-der-Phonak-AG.

Zum Abschluss: Ihr Wunsch für das Wissensunternehmen der Zukunft:

  • Vor aller Technologie sollte das Konzept „Wissen“ und das Konzept „Wissensarbeiter/in“ vermittelt werden. Erst wenn die Mitarbeiter/innen begriffen haben, mit welchem „Werkstoff“ sie arbeiten, kann man auch erfolgreiche WM-Maßnahmen einführen und umsetzen. Noch besser ist es, wenn diese von den Mitarbeiter/innen selber vorgeschlagen werden. Dafür braucht es institutionalisierte Formen, die „Gespräche“ innerhalb und außerhalb des Unternehmens unterstützen.
  • Generell erachte ich alle Formen des „Perspektivenwechsel“ als wichtig. Es gilt, die „organisationalen blinden Flecken“ immer wieder aufzuspüren. Dies gelingt nur, wenn ein Unternehmen sich systematisch in Frage stellen und „Irritationen“ von außen und innen zulässt.

Für unseren Knowledge Jam@i-Know 2011 habe ich ein Interview mit Dr. Daniel Stoller-Schai geführt. Ich habe ihn auf der didacta Fachtung „Professional E-Learning“ kennen gelernt. Dr. Daniel Stoller-Schai arbeitet als „Head E-Learning Switzerland“ für die UBS AG und ist seit Jahren in der E‑Learning-Branche tätig. Im Interview geht es um Wissensmanagement im Kontext von Social Media.Dr. Daniel Stoller-Schai arbeitet als „Head E-Learning Switzerland“ für die UBS AG. Er ist seit Jahren in der E‑Learning-Branche tätig. Sein Interesse gilt den kommunikationsorientierten, synchronen Lernformen und dem kundenorientierten E-Learning. Er studierte Pädagogik und Informatik an der Universität Zürich und promovierte zum Thema „E-Collaboration“ an der Universität St. Gallen. @stollerschai | Scribd | Slideshare