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Buchempfehlung: «The Five Dysfunctions of a Team» von Patrick Lencioni

In den letzten Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrere Teams im Entstehungs- und Arbeitsprozess zu verfolgen. Studierenden mussten sich für ein Semester in Bachelor- oder Masterprojektgruppen zusammenfinden — einige kannten sich schon vorher, andere lernten sich erst im Projekt kennen. Die Gruppendynamiken waren ähnlich unterschiedlich — einige Gruppen zeigten Synergieeffekte, erbrachten gemeinsam sehr gute Leistungen. Andere allerdings … es war ziemlich deprimierend zu sehen, wie Studierende, die alleine hervorragende Leistungen zeigten, in Gruppen kaum an das Mindestmaß zum Bestehen herankamen. Als würden hervorragende Zutaten zu einem geschmacklosen grauen Brei verkocht werden.

In der Psychologie gibt es diverse Theorien und Modelle zu Gruppen — insbesondere Ihre Entstehung, aber auch zu Effekten in Gruppen (z. B. der «Ringelmann-Effekt», «Social Loafing», oder der «Trottel-Effekt»). In diesem Dialog möchte ich allerdings auf ein eindeutig nicht-psychologisches Modell verweisen, weil es zumindest einige Probleme sehr treffend beschreibt (bei den vorgeschlagenen Interventionen wäre ich allerdings vorsichtiger).

Es ist «The Five Dysfunctions of a Team» [Die fünf Dysfunktionen (Störungen/Fehlfunktionen) eines Teams] von Patrick Lencioni. Das entsprechende Buch ist sehr leicht und schnell lesbar, da Lencioni sein Modell anhand einer Geschichte vorstellt. Der Untertitel ist «A Leadership Fable» [Eine Führungsfabel], auch wenn weder Tiere noch Phantasiefiguren vorkommen — sofern man kompetente Führungskräfte nicht als solche sieht.

Wie geschrieben, es ist kein Psychologie-Buch, es hat eine andere Funktion (als Empiriker habe ich damit Bauchschmerzen, als Praktiker finde ich die Probleme, die ich beobachtet habe, sehr gut beschrieben — und es kann zumindest als Eisbrecher dienen, diese Probleme zu identifizieren und offen anzusprechen).

Lencioni beschreibt fünf Probleme (Dysfunktionen), die den Erfolg von Teams verhindern können, inklusive Warnsignale sowie mögliche Interventionen. Diese Dysfunktionen ordnet er hierarchisch an (ein typisches Pyramidenmodell à la Maslow):

In den letzten Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrere Teams im Entstehungs- und Arbeitsprozess zu verfolgen. Studierenden mussten sich für ein Semester in Bachelor- oder Masterprojektgruppen zusammenfinden — einige kannten sich schon vorher, andere lernten sich erst im Projekt kennen. Die Gruppendynamiken waren ähnlich unterschiedlich — einige Gruppen zeigten Synergieeffekte, erbrachten gemeinsam sehr gute Leistungen. Andere allerdings … es war ziemlich deprimierend zu sehen, wie Studierende, die alleine hervorragende Leistungen zeigten, in Gruppen kaum an das Mindestmaß zum Bestehen herankamen. Als würden hervorragende Zutaten zu einem geschmacklosen grauen Brei verkocht werden.
Die fünf Dysfunktionen, übersetzt nach Lencioni (2002)

Positiv formuliert: Letztlich müssen Teamergebnisse konsequent verfolgt werden — und über dem individuellen Streben nach Status gestellt werden. Das geht nur, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, d.h., Teammitglieder müssen für Abweichungen von den vereinbarten Zielen von anderen Teammitgliedern zur Verantwortung gezogen werden, was voraussetzt, dass sich die Teammitglieder auf klare Ziele geeinigt haben und sich den Zielen auch verpflichtet fühlen («commitment»), was nur geht, wenn diese Ziele über konstruktive Konflikte bestimmt wurden, was wiederum Vertrauen in die guten Absichten der Teammitglieder voraussetzt.

Von der Basis zur Spitze betrachtet:

1. Vertrauen (Warnsignal: Teammitglieder geben sich als «unverwundbar»)

Vertrauen in die guten Absichten der anderen Teammitglieder und das man Schwächen zeigen kann (z. B. Zugeben von mangelnden Fertigkeiten, interpersonelle Schwächen, Fehler sowie Bitten um Unterstützung), ohne dass diese Selbstoffenbarungen gegen einen verwendet werden. Der Fokus liegt dann auf dem Teamerfolg, nicht auf Selbstschutz. Das ist in einer kompetitiven Welt schwierig herzustellen, aber ohne Vertrauen in die guten Absichten sowie die Möglichkeit, Schwächen zu zeigen, findet keine offene Kommunikation statt. Wissensaustausch, Problemlösung, und Ideenfindung sind gelähmt und man findet nicht heraus, was die Probleme sind. Schlimmer noch, Personen gehen dann von bösen Absichten aus, ohne diese zu hinterfragen und das Gespräch zu suchen (soziales Verhalten ist fast immer mehrdeutig und negative Interpretationen können mit einer gewissen Grundintelligenz leicht gesehen werden).

2. Konstruktive Konflikte (Warnsignal: künstliche Harmonie)

Konflikte werden oft als negativ gesehen, dabei sind konstruktive Konflikte zentral dafür, dass die beste Lösung in der kürzesten Zeit gefunden wird. Um konstruktiv zu sein, muss der Fokus auf den Ideen und Konzepten liegen, nicht auf der Person, die diskutiert. Leidenschaftliche Diskussion mit Emotion und Frustration (über Ideen und Konzepte!) gehören dazu, werden aber nicht negativ ausgelegt — da Vertrauen in die guten Absichten vorhanden ist. Ohne konstruktive Konflikte werden Spannungen in passiv-aggressive Spielchen (endlos) ausgetragen. Auch werden keine Probleme gelöst sondern immer und immer wieder in den Besprechungen neu aufgerollt.
Grundlegend ist hier übrigens, dass Personen in Besprechungen auch wirklich anwesend sind und sich beteiligen. D.h. keine parallele Arbeit, v.a. nicht mit elektronischen Geräten (Das klingt komisch, aber da ist was dran: Multitasking funktioniert nicht.). Falls Punkte aufkommen, die wirklich nur einen Teil der Personen betreffen, sollten die anderen Personen darauf hinweisen und den Besprechungspunkt verschieben.

3. Commitment (Warnsignal: Mehrdeutigkeit/Beliebigkeit)

Teammitglieder müssen sich den Zielen verpflichtet fühlen, das setzt Klarheit und «buy-in» voraus, inkl. von den Personen, die gegen diese Entscheidungen waren («disagree and commit»). Konsensus ist hier weder nötig noch gewollt — Personen müssen die Entscheidung nicht für die Beste halten, sie müssen sich aber ernst genommen und gehört fühlen, um die Entscheidung trotzdem zu tragen (was als Grundlage die konstruktiven Konflikte voraussetzt). Sicherheit, dass es auch die beste Entscheidung ist, ist auch nicht notwendig oder gewollt — die hat man nie und lähmt nur. Eine Entscheidung nach einer Diskussion, bei der das Wissen der Beteiligten geteilt wurde, ist besser als keine Entscheidung. Ändern kann man das Vorgehen meist immer noch.

4. Verantwortlichkeit (Warnsignal: niedrige Standards, Fehlverhalten werden toleriert)

Teammitglieder müssen sich gegenseitig verantwortlich halten, wenn Sie Leistung oder Verhalten zeigen, das dem Team schaden könnte. Oft ist man nicht bereit, schwierige Konversationen zu führen (gerade mit Bekannten/Freunden) und toleriert das Verhalten — egal ob es unangenehm oder schädlich ist. Das führt dann zu mittelmäßigem Verhalten und Ressentiments. Dabei zeigt das Kritisieren von schlechten Verhalten oder schwachen Leistungen, dass man die Person respektiert und hohe Erwartungen an ihre Leistung hat. Peer Pressure ist hier hilfreich, die Standards zu halten. Das ganze Team muss sich gegenseitig verantwortlich halten, es darf nicht nur von der Teamleitung ausgehen. Gleichzeitig hat die Teamleitung das letzte Wort. Es ist geteilte Verantwortung sich gegenseitig verantwortlich zu halten, nicht Delegation ans Team.

5. Fokus auf Teamergebnisse (Warnsignal: Streben nach persönlichem Status/Ego)

Die Ergebnisse des Teams müssen Priorität haben. Weder der Teamstatus (man gehört einer bestimmten Gruppe/Organisation an) noch der individuelle Status (persönliches Fortkommen) dürfen höher gewertet werden. Statt dessen muss der Fokus auf dem Teamziel liegen.

Laut Lencioni lassen sich die Bedingungen für den Erfolg von Teams herstellen. Es sind wenige Prinzipien, die allerdings kontinuierlich angewendet werden. Es ist nicht kompliziert, aber auch nicht einfach. Disziplin und Persistenz sind hier zentral.

Neben Führen durch Vorbild macht er Vorschläge für die einzelnen Stufen, z.B.

1. Vertrauen: geteilte Erfahrungen zum Vertrauensaufbau wie Informationen über die Personen erfahren, Identifizierung von Stärken und Schwächen, Persönlichkeitsprofile (die ich sehr kritisch sehen würde, insbesondere den vorgeschlagenen MBTI), 360°-Feedbacks, und (berechtigt kritisch betrachtet) sogar Teamerfahrungen (à la Seilgarten und Co.). Spätestens hier setzt dann auch die Kritik ein, u.a. wenn man sich überlegt, was passiert, wenn man leicht soziopathische Personen (oder in Ermangelung eines besseren Worts: «Kollegenschweine») im Team hat. Die werden vielleicht «mitspielen», dann aber das gezeigte Vertrauen kaltblütig ausnutzen. Und mit bestimmten Kollegen/innen in einen Seilgarten zu gehen, wäre eher eine teamabbauende Maßnahme. Wobei Lencioni in seiner Geschichte auch so ehrlich ist, dass manchmal Personen aus einem Team entfernt werden müssen, damit das Team erfolgreich sein kann.

2. Konstruktive Konflikte: versteckte Konflikte identifizieren, diskutieren und lösen (eine Entscheidung unter Unsicherheit, bei der alle gehört wurden, ist besser als eine endlose Vertagung und Wiederaufnahme) sowie bei auftretender Angst/Zurückhaltung vor Konflikten auf die positive Wirkung von konstruktiven Konflikten explizit hinweisen und Versuche konstruktive Konflikte zu unterbinden (um anderen zu schützen/Harmonie zu wahren) konsequent zu verhindern

3. Commitment: V.a. nächste Handlungen klar dokumentieren (inkl. explizite Deadline und verantwortliche Person).

4. Verantwortlichkeit: Ziele und Standards festlegen und öffentlich machen, regelmäßiger Austausch über den Zielfortschritt, sowie Teambelohnungen.

5. Fokus auf Teamergebnisse: U.a. spezifische Ziele (statt «das Beste geben») sowie Ergebnis-basierte Belohnung (statt für investierte Arbeit oder «Mühen»).

Insgesamt zeichnet Lencioni ein plastisches Bild der möglichen Probleme von Gruppen. Bei den Interventionen ist er bei aller Selbstkritik vielleicht etwas zu optimistisch — und generell wenig empirisch verankert. Das ist allerdings auch nicht sein Ziel.

In den Projektgruppen wurden die von ihm beschriebenen Probleme häufig in dieser Form sichtbar. Und deswegen würde ich das Buch auch empfehlen — es gibt einem ein (nicht-empirisch fundiertes) Modell, um Probleme in Gruppen zu beschreiben und spezifische Probleme anzusprechen. Und in seiner Einschätzung stimme ich Lencioni auch zu — es ist nicht kompliziert, aber es ist auch nicht einfach, diese Probleme anzugehen — eben weil man Tag für Tag darauf achten muss.

In der Hinsicht — ein kurzweiliges, interessantes und vermutlich hilfreiches Buch, das es übrigens auch in einer (leicht gekürzten) Manga-Variante gibt.

Lencioni, P. (2002). The Five Dysfunctions of a Team. A Leadership Fable. San Francisco, CA: Jossey-Bass.

In den letzten Jahren hatte ich die Gelegenheit, mehrere Teams im Entstehungs- und Arbeitsprozess zu verfolgen. Studierenden mussten sich für ein Semester in Bachelor- oder Masterprojektgruppen zusammenfinden — einige kannten sich schon vorher, andere lernten sich erst im Projekt kennen. Die Gruppendynamiken waren ähnlich unterschiedlich — einige Gruppen zeigten Synergieeffekte, erbrachten gemeinsam sehr gute Leistungen. Andere allerdings … es war ziemlich deprimierend zu sehen, wie Studierende, die alleine hervorragende Leistungen zeigten, in Gruppen kaum an das Mindestmaß zum Bestehen herankamen. Als würden hervorragende Zutaten zu einem geschmacklosen grauen Brei verkocht werden.