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Die wissens.werkerInnen im Gespräch mit… Barbara Kump

Was liegt gerade ganz oben auf Deinem Schreibtisch?

Was liegt gerade ganz oben auf Deinem Schreibtisch?

Das ist eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Ich neige dazu, in kurzen Zeitintervallen meine Tätigkeit zu wechseln, da ich mich dann besser motivieren kann – anscheinend gibt es dafür einen Fachausdruck: Task Switching. Daher liegen bei mir am Schreibtisch immer mehrere Dinge „ganz oben“: Eines davon ist die Vorbereitung eines „Organisationslaboratoriums“, einer fünf-tägigen Exkursion bei der rund 70 Studierende (v.a. der Fachhochschule Wien der WKW, der Universität Wien und der Technischen Hochschule Köln) in einem Seminarhotel die Aufgabe erhalten, „sich zu organisieren“, um möglichst viel über unterschiedliche organisationale Prozesse wie Führung, Kommunikationsstrukturen etc. zu lernen. Ein zweiter Task, der bei mir „ganz oben“ liegt ist ein Artikel zur Diagnose der sogenannten Organisationslogik von Klein-und Mittelbetrieben (KMU), den ich im April bei der Konferenz für Organizational Learning, Knowledge and Capabilities (OLKC 2017) präsentieren werde. Das dritte, was im Moment „ganz oben“ liegt sind mehrere Abschlussarbeiten von BA- und MA-Studierenden aus dem Themenfeld Organisationsentwicklung zur Vorbegutachtung.

Was findest Du besonders spannend an Deiner Arbeit?

Ich habe meinen oben erwähnten Hang zum Task Switching sozusagen insitutionalisiert, indem ich seit einem Jahr meine volle FH-Professur auf zwei halbe Stellen aufgeteilt habe: Zu 50% bin ich nach wie vor eine durch die Stadt Wien geförderte Stiftungsprofessorin für organisationales Lernen an der FHWien der WKW, zu 50% bin ich Assistant Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Diese Doppelanstellung ermöglicht es mir, sehr angewandte, teilweise „exotische“ Forschung (FHWien) mit klassischer universitärer Forschung (WU Wien) zu verbinden. An der Fachhochschule arbeiten wir sehr eng mit ca. 20 KMU-Geschäftsführern sowie Personen, die aus der Unternehmensberatung kommen zusammen, um organisationale Phänomene im Zusammenhang mit Veränderungen zu untersuchen. An der WU Wien ermöglicht mir der Austausch mit einer Gruppe von „Vollblut-ForscherInnen“ den weiterführenden, tiefgehenden Diskurs über theoretische Inhalte und Forschungsmethoden. Auch wenn der organisatorische (Terminkoordinations-)Aufwand manchmal etwas fordernd ist, finde ich diese Kombination der „zwei Welten“ extrem bereichernd.

Außerdem sind wir an der FHWien gerade dabei, ein Forschungscluster im Themenbereich „SMEs & Family Businesses“ aufzubauen. Der Schwerpunkt des aus drei Kompetenzzentren (Centers for Strategy, Corporate Governance & Business Ethics, und Change) bestehenden Forschungsclusters liegt auf der Untersuchung von Herausforderungen, die KMU bei der Umsetzung strategischer, nachhaltiger Unternehmensführung begegnen. Wir agieren hier fast wie ein „Start-up“, stehen im Austausch mit vielen interessanten Unternehmen und erweitern unser Netzwerk zu internationalen KooperationspartnerInnen.

Zusammengefasst finde ich es immer spannend, etwas aufzubauen, Synergien herzustellen und Dinge auf neuartige Weise zusammen zu führen.

Was genau macht Dein Team an der FHWien der WKW?

An der FHWien bin ich als Stiftungsprofessorin für organisationales Lernen ins Kompetenzzentrum für SMEs & Strategic Change eingebunden. Wir sind gerade dabei ein – wie ich finde – höchst erfolgreiches durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) co-finanziertes Projekt mit dem Titel „KMU in Veränderung“ abzuschließen, wo wir zwischen 2012 und 2017 Methoden zur Diagnose und Förderung der Veränderungsfähigkeit von KMU untersucht haben. Daraus gingen neben vielen anderen Ergebnissen ein validierter Test zur Messung der organisationalen Veränderungsfähigkeit (Dynamic Capabilities), ein Interventionskonzept zur Förderung der Veränderungsfähigkeit speziell für KMU und ein Didaktisch-Methodisches Konzept zur Weitergabe des im Projekt gewonnenen Wissens in die Lehre hervor. Im Mai 2017 schließen wir das Projekt ab, aber ein Folgeprojekt mit dem Schwerpunkt auf der „organisationalen Veränderungslogik“ wird bereits im Juni 2017 beginnen…

Was machen wir also? Kurzgefasst erarbeiten wir mit KMU (v.a. GeschäftsführerInnen) die Herausforderungen in Zusammenhang mit Veränderungsprozessen, entwickeln Konzepte, welche Veränderungskompetenzen Organisationen brauchen, messen diese mit unseren Messinstrumenten und Diagnosemethoden, und unterstützen dann KMU beim Aufbau dieser Veränderungskompetenzen.

Welche drei Dinge machen Dir an Deiner Arbeit am meisten Spaß?

Erstens: Das Entwickeln kreativer Konzepte und innovativer Forschungsmethoden – teilweise abseits der ausgetretenen Forschungspfade; hier bietet mir insbesondere die Anstellung an der FHWien sehr viel kreativen Freiraum, da Anwendbarkeit und Praxisrelevanz im Zweifelsfall höher gewertet werden als Impact Factors.

Zweitens: Die Arbeit mit Unternehmen und das Gefühl, einen praktischen Nutzen zu stiften.

Drittens: Der Aufbau eines Forschungszentrums mit einem motivierten Team und hier v.a. die Nachwuchsförderung – es ist schön, zu sehen, wenn sich MitarbeiterInnen und Studierende weiterentwickeln.

Deine Forschung in drei verständlichen Sätzen?

ForschungskollegInnen sage ich: Ich untersuche sozio-kognitive Prozesse in Zusammenhang mit organisationalen Veränderungen. … Aha.

Einfach gesprochen interessiert mich, wie Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Strukturen (geprägt durch Einstellungen, Vorerfahrungen usw.) durch die regelmäßige Zusammenarbeit in Organisationen gemeinsame Routinen entwickeln, eine Organisationskultur (bzw. Identität oder Organisationslogik) aufbauen, Wissen schaffen und Machtstrukturen herstellen und welche Rolle diese gemeinsam geschaffenen Strukturen in organisationalen Veränderungsprozessen spielen. Konkrete Forschungsfragen sind z.B. „Wie entwickelt sich individuelles und kollektives Wissen in Organisationen?“, „Wie kann Reflexion organisationales Lernen unterstützen?“, oder „Welche Herausforderungen entstehen in radikalen Veränderungsprozessen durch Veränderungen in der Identität, den Tätigkeiten und dem Wissen der handelnden Personen?“.

Mit wem würdest Du gerne mal einen Kaffee trinken?

Mit Leuten, die quer denken und unterschiedliche Ideen/Strömungen verbinden, ohne sich groß um Konventionen zu kümmern… im Organisationsbereich z.B. Otto Scharmer oder Virginia Satir.

Welches Buch liest Du gerade?

Ich habe gerade eine Hesse-Phase. Jetzt ist endlich mal „Das Glasperlenspiel“ dran, das ich mir schon seit Jahren vorgenommen hatte. Ich muss aber gestehen, dass ich (nachdem ich von „Demian“ sehr angetan war) in das doch eher „sperrige“ Buch noch nicht so richtig reingekommen bin. Ansonsten bin ich ein großer Fan von Zeruya Shalev, allerdings muss ich dazu in der Verfassung sein.

Was brauchst Du unbedingt für einen guten Arbeitstag?

  • Kaffee!
  • und, wie gesagt: A little bit of this, a little bit of that – ich tue mir in der Regel ganz schwer, lange am Stück das Gleiche zu machen. Selbst bei Publikationsprojekten, außer in der ganz heißen Abschlussphase.

Wann warst Du zum letzten Mal nervös?

Zum letzten Mal wirklich nervös war ich, als ich vor ein paar Monaten als Psychologin an der Wirtschaftsuniversität einer Professoren-Kommission mein Habilitations-Konzept vorgestellt habe. Ich war mir bis zum Schluß nicht sicher, ob sie mich nicht sprichwörtlich verjagen weil sie das kognitionspsychologische Thema (in Kombination mit der sehr breit ausgelegten „Freiheit der Forschung“ an der FHWien) zu wenig anschlussfähig finden… Aber alles ist gut ausgegangen und die Profesoren haben zumindest so gewirkt als wären sie sehr angetan von meiner „erfrischenden Perspektive“ 🙂