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Handeln Sie schon oder denken Sie noch? Balance zwischen Denken und Handeln zurückerobern

„Erst denken, dann handeln“ ist ein Spruch, denn Kinder und Jugendliche häufig von ihren Eltern hören. Doch inwieweit berücksichtigen wir Erwachsene diesen Spruch eigentlich noch für uns selbst? Mein Eindruck ist, dass in der Arbeitswelt heute viel zu viel „blinder“ Aktionismus Einzug gehalten hat, also mehr Handeln auf Kosten des Denkens stattfindet (siehe auch ein anderer Dialog von mir). Dies macht uns nicht notwendigerweise produktiver. Ganz im Gegenteil: Wir sollten wieder mehr Denken, bevor wir handeln.

Für mich persönlich ist Planung und Vorbereitung die halbe Miete, wenn ich zum Beispiel eine neue Projektidee habe. Bevor ich das Projekt beginne, überlege ich mir, was dadurch alles auf mich zukommen wird: Für welche Aufgaben werde ich verantwortlich sein? In welchem Zeitrahmen? Für welche Aufgaben werden Projektpartner oder gar weitere Beteiligte verantwortlich sein? Inwiefern entstehen darauf Abhängigkeiten? Sehr entscheidend ist auch, die Frage, inwieweit sich ein neues Projekt mit bereits laufenden Projekten und Verpflichtungen vereinbaren lässt: Habe ich ausreichend freie zeitliche und finanzielle Ressourcen? Und schließlich für das Gelingen unentbehrlich: Habe ich ausreichend Expertise für das Projekt bzw. habe ich Projektpartner an Bord, die die richtige Expertise mitbringen? Wen muss ich mir gegebenenfalls noch an Bord holen?

Das Gleiche gilt für Meetings, damit sie effizient sind: Welche Ziele verfolgen wir mit dem Meeting? Welche Informationen benötigen wir für Diskussion und Entscheidungsfindung? Wer bereitet diese Informationen vor? Welche dieser Informationen benötigen welche Beteiligten, um sich auf das Meeting vorzubereiten? Wann sollten sie ihnen zugehen, damit sie ausreichend Zeit für die Vorbereitung haben? Ist es sinnvoll eine Beschlussvorlage zu arbeiten? Wie viel Zeit haben wir für das Meeting bzw. wie viel Zeit benötigen wir für die Erreichung der Ziele? Wenn die Ziele unklar sind, die nötigen Informationen fehlen oder einfach nicht ausreichend Zeit verfügbar ist, wird ein Meeting wenig Brauchbares hervorbringen. Häufig wird zudem vergessen, dass nach dem Meeting noch Arbeit anfällt und irgendjemand für die Nachbereitung verantwortlich sein sollte. Darüber hinaus sollte man im Blick behalten, ob ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um im Meeting getroffene Entscheidungen umzusetzen. Wenn die Zeit oder Ressourcen für Nachbereitung und gegebenenfalls Umsetzung fehlen, bringt das fruchtbarste Meeting wenig.

Natürlich muss für all dies der Raum da sein: Wenn Führungskräfte nur mehr und mehr Aufgaben auf die Schreibtische ihrer Mitarbeitenden packen, wird deren Effizienz bei allen Aufgaben nach unten gehen. Wenn Entscheidungsträger selbst keine Zeit mehr haben, um sich auf ein Meeting vorzubereiten, helfen auch großartig aufbereitete Informationen nicht viel. Deshalb finde ich es wichtig, Zeit zum Vor- und Nachdenken ebenso einzuplanen wie für die eigentliche Arbeit und Meetings. Mit mehr Raum fürs Durchdenken ist meiner Meinung nach langfristig viel mehr realisierbar. Denn wenn ein Projekt gut vorbereitet und vorstrukturiert ist, braucht es deutlich weniger Zeit für die eigentliche Umsetzung und es gibt gleichzeitig eine gute Basis zum Nachsteuern – denn natürlich lässt sich nicht alles vorhersehen und einplanen.

Fehlender Raum zum Vor- und Nachdenken führt hingegen dazu, dass nur mehr vom Gleichen getan wird. Denn unter Stress greifen wir auf unsere Routinen zurück. Sind diese Routinen ineffizienten – oder gar Ursache für unseren Stress – verstärkt sich ein ineffektives System. Allerdings braucht das Ändern von Routinen nicht nur Zeit zum Vor- und Nachdenken, sondern auch Zeit neue Routinen zu etablieren. Am Anfang kann das zunächst mehr Zeit in Anspruch nehmen. Hat man sich jedoch tatsächlich für effizientere Routinen entschieden, wird sich die Umstellung langfristig auszahlen.

Eingebunden in Routinen und etablierte Prozesse gibt es natürlich bessere und schlechtere Zeiträume fürs Vor- und Nachdenken. Diese zu identifizieren und zu nutzen, kann ein Startpunkt sein. Allerdings nicht auf Kosten der ebenso notwendigen Zeiten für Erholung und Urlaub gehen: Irgendwann muss jeder und jede Luft holen und die Batterien auftanken.

Es sollte auch nicht auf Kosten des Handelns gehen:  Die besten Pläne sind nichts wert, wenn sie nicht umgesetzt werden. Einiges lässt sich – wie gesagt – auch nicht vorhersehen und planen. Erst die Umsetzung zeigt, was sich bewährt und wo Anpassung notwendig ist. Schließlich geht es ja darum, bestimmte Ziele mit den verfügbaren Ressourcen zu erreichen. Dies nicht aus dem Auge zu verlieren, hilft manchmal die Balance zwischen Denken und Handeln zu halten.

 

Bildnachweis: Karl-Ernst Wodzicki