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Experten-Laien-Kommunikation im Wissensmanagement

Expertenwissen ist eine zentrale Ressource für das organisationale Wissensmanagement. Durch Expert-Debriefing soll der Erfahrungsschatz langjähriger MitarbeiterInnen für die Organisation nutzbar gemacht werden. Die Forschung zur Experten-Laien-Kommunikation zeigt jedoch eine relevante Hürde für das Wissensmanagement auf: Die Common Ground-Barriere.

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Langjährige Mitarbeitende und hochqualifizierte Fachleute verfügen über einen reichhaltigen Wissensschatz, der im Rahmen des organisationalen Wissensmanagements für alle Mitarbeitende zugänglich gemacht werden soll. Viel diskutiert werden motivationale Barrieren für das organisationale Wissensmanagement, also insbesondere die Frage, wie man die Experten im Unternehmen ermutigt, ihr Wissen zu teilen. Aus kognitions- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch eine weitere zentrale Schwierigkeit: Die sogenannte Common-Ground-Barriere.

Common-Ground als Basis für Wissensaustausch

ExpertInnen haben einen deutlichen Wissensvorsprung – genau das macht ihre Expertise aus und genau deshalb ist ihr Wissen für die Organisation so wertvoll! Beim Wissenstransfer an „Laien“, also weniger erfahrene Mitarbeitende, gilt es, diese Wissensasymmetrie zu überwinden, relevantes Wissen auszuwählen und notwendige Hintergrundinformation zu kommunizieren. Hinzu kommt, dass es Unterschiede in der Struktur des Wissens gibt: ExpertInnen haben in der Regel sehr viel mehr Kontextinformationen gespeichert und mehr Querverbindungen zwischen Wissenselementen entwickelt als ein Laie. Die psycho-linguistische Forschung spricht von unterschiedlichen Bezugsrahmen, die während des Wissensaustauschs in Einklang gebracht werden müssen. ExpertInnen und Laien müssen also zunächst eine gemeinsame „Sprache“ finden. Erst dieser Common Ground, ein geteilter Bezugsrahmen bzw. die gemeinsame Wissensbasis, ermöglicht die Weitergabe von Expertenwissen an den Laien.

Grounding zur Herstellung des Common Ground

Eine erste Grundlage für die Kommunikation sind Annahmen über den Common Ground aller an der Kommunikation Beteiligten. Diese Annahmen treffen wir auf Basis der verfügbaren Information über die GesprächspartnerInnen und die Gesprächssituation. Zusätzlich laufen während eines Gesprächs sog. Grounding-Prozesse ab: In der Regel erhält man auf jede Botschaft verbale (konkrete Rückfragen) und nonverbale Signale (Nicken, fragender Blick), die uns helfen, das Wissen des Gegenübers ständig neu einzuschätzen und unsere Kommunikation anzupassen. Präsentations – und Akzeptanzphase wechseln sich in Gesprächen also ständig ab. Falsche Annahmen über den Common Ground können so relativ schnell korrigiert werden, bspw. indem man ein verwendetes Fachwort erklärt oder umschreibt.

Herausforderungen für die Experten-Laien-Kommunikation im Wissensmanagement

Im „klassischen“ Wissensmanagement, also bspw. der schriftlichen Dokumentation von Wissen in einem Unternehmens-Wiki, ist dieser Grounding-Prozess kaum mehr möglich: Die ExpertInnen wissen bei der Dokumentation ihres Wissens nur wenig über die RezipientInnen und sie erhalten kein unmittelbares Feedback über die Verständlichkeit ihrer Dokumentation. Entsprechend gehören die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und die Antizipation des Laienverständnisses zu den zentralen Anforderungen an die ExpertInnen bei der Vermittlung ihres Wissens im Rahmen des organisationalen Wissensmanagements. Auf Basis der Einschätzung des Common Ground müssen ExpertInnen ihre Botschaft an die Perspektive des Laien anpassen, die Forschung spricht hier von Audience Design. Dabei gilt: Je besser ExpertInnen das Wissen der Laien einschätzen können, desto besser gelingt auch der Wissenstransfer.

Implikationen für das Wissensmanagement

Aus diesen Überlegungen zur Common-Ground-Barriere ergeben sich drei zentrale Implikationen für das organi-sationale Wissensmanagement:
1) Experten müssen darin unterstützt werden, die Per-spektive des Laien bestmöglich einzuschätzen. Informationen über die Zielgruppe sollten vor der Dokumentation verfügbar gemacht werden.
2) Die Dokumentation von Expertenwissen muss gezielt instruiert und strukturiert werden. Hinweise zur Verbes-serung der Verständlichkeit sollten hier explizit berücksichtigt werden.
3) Feedback über die Verständlichkeit von Beiträgen sollte ermöglicht (und ermutigt!) werden. Hilfreich kann es bspw. sein, Einträge in Wissensmanagementsystemen regelmäßig von Laien auf Verständlichkeit prüfen zu lassen und entsprechende Rückmeldung zu geben.

 

Literaturnachweis:
Bromme, R., Jucks, R., & Rambow, R. (2004). Experten-Laien-Kommunikation im Wissensmanagement. In G. Reinmann & H. Mandl (Hrsg.). Der Mensch im Wissensmanagement: Psychologische Konzepte zum besseren Verständnis und Umgang mit Wissen (S. 176-188). Göttingen: Hogrefe.
Clark, H.H., Brennan, S.A. (1991). Grounding in Communication. In Resnik,L.B., Levine, J.M. & Teasley, S.D. (Eds.). Perspectives on socially shared Cognition. Washington: APA Books.

Zitieren als: Knipfer, K. (2011). Experten-Laien-Kommunikation im Wissensmanagement. wissens.blitz (49). https://wissensdialoge.de/experten_laien_kommunikation