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Persönliches und organisationales Wissensmanagement verknüpfen – Ein Interview mit Dr. Andreas Schmidt

In Vorbereitung unseres Knowledge Jam auf der iKnow2011 hatte ich die Gelegenheit Dr. Andreas Schmidt vom Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe für unseren Workshop zu interviewen. Er sprach sich insbesondere für die stärkere Verknüpfung von persönlichem und organisationalem Wissensmanagement aus und nennt das „Social Software Universum“ als eine der wichtigsten technischen Neuerungen im Bereich Wissensmanagement.

Was bedeutet für Sie erfolgreiches organisationales Wissensmanagement?

Erfolgreiches Wissensmananagement misst sich für mich daran, inwieweit es gelingt,

  • das vorhandene Potential der eigenen Mitarbeiter im Bezug auf individuelle Kompetenzen sowie das Potential, das sich aus ihrer Zusammenarbeit ergibt, voll auszuschöpfen
  • sich den Wissensanforderungen besonders in verändernden Marktumfeldern erfolgreich stellen zu können, was das Erkennen von Veränderungen und die wirksame zeitgerechte Reaktion darauf umfasst

Welches ist die aus ihrer Sicht wichtigste technische Innovation, die das Wissensmanagement heute bestimmt?

Als wichtigste soziotechnische Innovation würde ich das „Social Software Universum“ ansehen, also (Micro-)Blogging, Wikis, Social Bookmarking, deren Technik untrennbar verbunden ist mit einer neuen Kollaborationskultur, deren Auswirkungen auf die innere Struktur von Unternehmen noch nicht voll abgeschätzt werden kann.

Der Wissensmanagement-Killer: Was muss man tun, damit Wissensmanagement auf jeden Fall schief geht?

Wissensmanagement von oben verordnen, am besten mit Hilfe eines komplexen Systems, das sich vor allem mit Rechtemanagement und Freigabeprozessen beschäftigt.

Was fehlt einem Unternehmen, dass kein aktives WM betreibt?

Awareness über die Wichtigkeit des Themas Wissensentwicklung, wahrscheinlich daraus resultierend auch mangelnde Wertschätzung.

Wie kann Wissensmanagement in einer Organisation als wertvoll betrachtet werden, ohne dass es direkten Output liefert?

Eigentlich gehört Wissensmanagement zu den anderen Führungsaufgaben, die alle keinen direkten Output liefern. Es gehört einfach dazu, um letztlich die bestmögliche Umgebung zu schaffen, in der sich das Potential des Unternehmens entfalten kann, und gehört damit direkt zur Zukunftssicherung.

Welche Unternehmenskultur schafft gute Voraussetzungen für erfolgreiches Wissensmanagement?

  • Die Wertschätzung von individuellem und kollektivem Lernen
  • Eine sogenannte Exzellenzkultur = „Wir wollen besser sein!“
  • Vertrauen statt Kontrolle

Was sind Ihrer Meinung nach die zukünftigen drei „hot topics“ im Bereich Wissensmanagement?

  1. Neudefinition des Begriffsverständnisses von Wissensmanagement im Hinblick auf Alignment von persönlicher und organisationaler Perspektive, d.h. produktives (aber dennoch weiterhin spannungsgeladenes) Verbinden von interessengetriebenen persönlichem WM und organisationszielgetriebenem organisationalem WM, besonders angesichts der Entwicklungen in Richtung mehr Mitarbeiterautonomie (bishin zu Modellen mit freien Wissensarbeitern)
  2. größere Bedeutung persönlicher sozialer Netzwerke
  3. höhere Jobmobilität und ingesamt wachsende Konkurrenz um die besten Köpfe – dazu gehört dann die Bedeutung von organisationalen Systemen (und wie kann der MA etwas „mitnehmen“) vs. individuumszentrierten Systemen (wie sie heute schon als Webdienste eingesetzt werden)

schmidt

Dr. Andreas Schmidt ist Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe und verantwortlich für das Themenfeld Wissen & Lernen. Derzeit ist er wissenschaftlicher Koordinator des EU-Projektes MATURE, das sich empirisch, konzeptionell und technisch mit dem Thema Wissensreifung in Organisationen beschäftigt, wobei ein Schwerpunkt auf kollaborativen Ansätzen für das Kompetenzmanagement liegt.