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Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser?

Im Unternehmensalltag werden Verträge abgeschlossen, um Kooperationen zu regulieren. Dabei stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen haben Verträge auf die Vertrauensbeziehung der Geschäftspartner?


Download: wissens.blitz (150)

Eine Vertrauensbeziehung ist die Grundlage für eine erfolgreiche Kooperation  (wissens.blitz 149). Aber wenn Kooperationspartner erstmalig zusammenarbeiten und nicht sicher sein können, dass alle gute Absichten haben und kompetent und motiviert am gemeinsamen Ziel arbeiten? Wenn mir also das Vertrauen (noch) fehlt? Dann ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit zu regulieren; im Unternehmensalltag geschieht das über Verträge. Ein Vertrag ersetzt aber nicht einfach fehlendes Vertrauen: Dieser wissens.blitz fasst das komplexe Zusammenspiel zwischen dem psychologischen Konzept Vertrauen und der Unternehmenspraxis, Verträge abzuschließen, auf Grundlage von Lumineau (2014) zusammen.

Verträge sind Instrumente der Kontrolle und der Koordination

Verträge legen Rechte und Verpflichtungen aller Vertragspartner fest. Sie minimieren die Unsicherheit bezüglich der Absichten der Geschäftspartner und das Risiko einer gescheiterten Zusammenarbeit – sie erfüllen eine Kontrollfunktion. Z. B. legt mein Mietvertrag fest, ab wann ich meine Wohnung bewohnen darf, wie hoch die Miete ist und wann ich sie zahlen muss. Alle Bedingungen zur Kündigung des Mietvertrags sind dort ebenso festgehalten und auch, welche Nebenkosten der Vermieter an mich überträgt.

Gleichzeitig dienen Verträge aber auch der Koordination. Verträge halten gegenseitige Erwartungen an die Zusammenarbeit fest. Wenn die BMW AG als Konsortialführer mit WissenschaftlerInnen der Technischen Universität München im Rahmen einer BMBF-Förderlinie kooperiert, um einen Elektroantrieb zu entwickeln, dann werden bei Antragsstellung die Kompetenzen der Kooperationspartner beschrieben, die Aufgaben verteilt und Arbeitspakete geschnürt.

Unterstützen oder verringern Verträge das Vertrauen?

Vertrauen wie auch Misstrauen können positive wie auch negative Auswirkungen haben. Idealerweise reduziert ein Vertrag die negativen Aspekte und ermöglicht die positiven Aspekte.

Positive Auswirkungen von Vertrauen

·        Reduziert Unsicherheit
·        Fördert Offenheit
·        Regt Wissensaustausch und gemeinsames Problemlösen an

Negative Auswirkungen von Vertrauen

·        Resultiert in einem Verlust an Objektivität
·        Schränkt die Wachsamkeit ein
·        Führt zu Selbstüberschätzung

Positive Auswirkungen von Misstrauen

·        Fördert konstruktive Skepsis
·        Unterstützt Wachsamkeit

Negative Auswirkungen von Misstrauen

·        Führt zu Angst und Paranoia
·        Resultiert in Unnachgiebigkeit

 
Es gibt unterschiedliche Annahmen dazu, wie Vertrauen entsteht: Einerseits wägen Menschen dabei die Kosten und Risiken gegen den erwarteten Nutzen ab (Was könnte im schlimmsten Fall passieren?).

Dann liefern Verträge eine gute Grundlage für die Entscheidung, ob ich meinem Vertragspartner vertrauen kann. Je konkreter die Pflichten und die Sanktionen bei Verstößen „schwarz auf weiß“ festgelegt sind, desto eher kann ich davon ausgehen, dass das Vertragsziel erreicht wird.

Andererseits gehen wir bei der Vertrauensentscheidung oft weitaus intuitiver vor; wir lassen uns von unseren bisherigen Erfahrungen bzw. Informationen über den Vertragspartner leiten (Ich habe nur Gutes über die gehört.). Demnach sind Verträge hinderlich für die Entwicklung von Vertrauen: Wenn ich alles detailliert in einem Vertrag festhalten muss, ist mein Vertragspartner nicht gerade vertrauenswürdig, sonst hätte auch „sein Wort“ genügt?

Worauf kommt es also an?

Verträge, die darauf ausgerichtet sind zu kontrollieren, können Misstrauen wecken. Ein solcher Vertrag richtet unsere Gedanken darauf aus, was schief gehen kann. Wir achten vermehrt auf die Erfüllung von Vertragspflichten; jede Abweichung vom Vertrag wird sanktioniert. Der Vertrag wird dann zum „Korsett“ – er macht uns unflexibel.

Grundsätzlich hat die koordinative Funktion von Verträgen positive Auswirkungen, stärkt Vertrauen und minimiert anfängliches Misstrauen. Die Forschung zeigt, dass durch koordinative Vertragsinhalte die Zusammenarbeit besser gelingt, die Abstimmung erleichtert und der Informationsaustausch gefördert wird. Ein Fokus auf die koordinative Funktion von Verträgen hilft, eine Kooperation zu erleichtern ohne Vertrauensverluste zu riskieren. Das gilt besonders für Kooperationen, bei denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nötig ist, um gemeinsame Ziele zu erreichen, also weniger für mein Beispiel des Mietvertrags, sicher aber für die beschriebene Kooperation von Forschung und Industrie.

Literaturnachweis:
Lumineau, F. (2014). How contracts influence trust and distrust. Journal of Management. Online First.
Kramer, R. M. (1999). Trust and distrust in organizations: Emerging perspectives, enduring questions. Annual Review of Psychology, 50, 569–598.
McAllister, D. J. (1995). Affect- and cognition-based trust as foundations for interpersonal cooperation in organizations. Academy of Management Journal, 38, 24–59.
McKnight, D. H., Cummings, L. L., & Chervany, N. L. (1998). Initial trust formation in new organizational relationships. Academy of Management Review, 23, 473–490.

Zitieren als: Knipfer, K. (2015). Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser. wissens.blitz (150). https://wissensdialoge.de/kontrolleundvertrauen