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Lernen durch Reflexion: Lösungsansätze für die Zukunft

Ende letzten Jahres ist eine gemeinsame Publikation zum Thema Lernen durch Reflexion in der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aktuell erschienen, die ich hier nochmal zusammenfasse. Lernen durch Reflexion beschäftigt mich und meine Kolleginnen Barbara Kump und Annika Scholl schon lange in unserer Forschung. Trotz der  empirisch nachgewiesenen positiven Effekte von Reflexion (sie hilft uns lesson learned aus unseren Erfahrungen zu generieren), wird das Potenzial von Reflexion nicht immer ausgeschöpft. In unserem Artikel diskutieren wir, warum das so ist und was man dagegen tun kann.

Wir sehen vor allem folgende drei Probleme:

(1) Wir wollen nicht reflektieren – es fehlen Anreize für Reflexion!

(2) Wir können nicht reflektieren – Reflexion findet vielleicht statt, ist aber noch nicht effektiv (genug)!

(3) Wir sollen nicht reflektieren –  organisationale Strukturen und Verhaltensnormen legen nahe, dass Reflexion unerwünscht ist!

Nach einer Beschreibung dieser Barrieren für Reflexion beschreiben wir auf Grundlage aktueller Forschungserkenntnisse Lösungsstrategien. So zeigen eigene Untersuchungen von Scholl und Sassenberg (2014) beispielsweise, dass Personen mehr über ihr Verhalten nachdenken und aus Fehlern lernen, wenn sie eine einflussreiche Position haben und sich vor der Reflexion ihre Möglichkeiten nochmal ganz bewusst machen. Im Gegenzug wird Reflexion vermindert, wenn die Entscheidungsspielräume durch die Organisation verringert werden.

Die Reflexion der eigenen Arbeitspraxis und arbeitsbezogener Erfahrungen erfordert außerdem anspruchsvolle mentale Schritte. Deshalb ist eine gezielte Anleitung von Reflexion wichtig: Leitfragen, die Reflexion unterstützen, sollten zunächst immer mit einer möglichst vollständigen Beschreibung der Situation, des Erlebens und Verhaltens und auch tatsächlicher oder möglicher Konsequenzen beginnen: „Was genau ist passiert?“, „Wie habe ich mich verhalten?“, „Was hatte das für Auswirkungen?“

Organisationale Rahmenbedingungen und (implizite) Verhaltensregeln können Reflexion fördern – oder auch verhindern: Obwohl Reflexion typischerweise ein eher selbstgesteuerter, informeller Lernprozess ist, müssen Freiräume und Gelegenheiten geschaffen werden, sie in den Arbeitsalltag zu integrieren. Das kann heißen, Reflexionsmeetings an wichtigen Projektmeilensteinen zu formalisieren, genauso wie Mitarbeitergespräche ganz gezielt als Gelegenheit zur gemeinsamen Reflexion und Verbesserung der Arbeitspraxis genutzt werden sollten.

In einer eigenen Studie haben wir den Einfluss der Führungskraft auf die Reflexivität in Teams untersucht. Tatsächlich finden wir Hinweise auf eine Beziehung zwischen einem charismatischen Führungsstil, Teamreflexivität und Teamerfolg in Gründerteams. Die Teamleistung hing signifikant davon ab, wie charismatisch der Teamleiter eingeschätzt wurde und wie häufig/intensiv das Team über gemeinsame Strategien reflektiert hatte.

Das Fazit unseres Artikels:

Reflexion fördert das Lernen aus Erfahrung und das auf individueller, Team- und organisationaler Ebene – wenn sie richtig angewendet und im Arbeitskontext auch gefördert wird. Zentral dabei sind das Wissen darüber, dass Reflexion auf veränderbare Umstände, eigenes Verhalten und die gegebenen Möglichkeiten fokussieren sollte, regelmäßiges Feedback bzw. auch die proaktive Feedbacksuche sowie eine offene Lern- und Fehlerkultur und eine Führung, die eine gemeinsame Vision kommuniziert.

Sie möchten mehr über Lernen durch Reflexion erfahren? Lesen Sie unsere neue Veröffentlichung im Schwerpunktheft „Lernen 4.0“ der Wirtschaftspsychologie aktuell – Zeitschrift für Personal und Management.