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Wer anderen einen Gefallen tut… kann auch Misstrauen erwecken

Wir sind immer wieder darauf angewiesen, dass KollegInnen uns bei der Arbeit unterstützen und einen Gefallen tun – z.B. heute noch eine Stunde länger arbeiten, um das Projekt gemeinsam fertigzustellen, unseren Vorschlag in einer Besprechung befürworten, oder während unseres Urlaubs wichtige Informationen an einen Kunden weitergeben. Solch gegenseitige Unterstützung schafft Vertrauen und fördert die Zusammenarbeit. Das ist jedoch nicht immer der Fall: Wie ist es, wenn wir eine Führungsposition innehaben und uns jemand einen solchen Gefallen tut? Gerade Personen in mächtigen Positionen können auf einen Gefallen misstrauisch reagieren.

Eine Machtposition kann dazu führen, dass wir unsere Beziehungen zu anderen besonders positiv wahrnehmen. Neue Forschungsergebnisse weisen jedoch auch auf Prozesse hin, die Beziehungen im Arbeitskontext möglicherweise verschlechtern: Wenn wir von jemandem Unterstützung erhalten, steigert dies in der Regel die Bereitschaft, unserem Gegenüber ebenfalls einen Gefallen zu tun – nicht jedoch, wenn wir Macht innehaben bzw. erleben. Dies zeigen zwei Studienreihen von M. Ena Inesi und ihren KollegInnen (2012, 2014). Sie gingen dabei folgender Annahme nach: Mächtige Personen sollten auf einen Gefallen anderer misstrauischer reagieren, als z.B. Kollegen. Denn Macht bietet Zugang zu Ressourcen (z.B. Informationen, Beförderungsmöglichkeiten), die auch für andere attraktiv sind. Eine Führungskraft könnte die Unterstützung durch einen Mitarbeiter also eher als Versuch des Mitarbeiters interpretieren, im Gegenzug ebenso einen Gefallen (z.B. einen Bonus) vom Chef zurück zu erhalten, als dies ein Kollege tun würde.

In ihren Studien wurden die Teilnehmenden z.B. gebeten, sich einen bereits erhaltenen Gefallen in Erinnerung zu rufen. Anschließend wurde (k)ein Erleben von Macht ausgelöst und die Teilnehmenden gaben ihr Vertrauen darin an, dass ihr Gegenüber ihnen den Gefallen aus eigenem Interesse bzw. aus Selbstlosigkeit getan hatte. Die Ergebnisse zeigten: Ein erhaltener Gefallen hatte bei mächtigen Personen eine nachteilige Wirkung auf das Vertrauen anderen gegenüber und senkte die Absicht, sich im Gegenzug zu revanchieren – und dies unabhängig vom tatsächlichen Motiv des Gegenübers.

Zudem wirkte sich ein erhaltener Gefallen im Zusammenhang mit Macht auf die Vorstellung von sich selbst aus: Mächtige zeigten danach eine stärkere Tendenz, sich selbst vor allem über solche Eigenschaften zu definieren, die mit Macht in Verbindung stehen (z.B. ihrer Intelligenz oder ihrem Einfluss, statt z.B. ihrer Zuverlässigkeit oder ihrer Freundlichkeit) – nach dem Motto „Wenn andere mich schätzen, dann wegen dieser Merkmale“. Die Autorinnen schlussfolgern, dass diese Prozesse gerade für Mächtige die Zusammenarbeit  mit anderen erschweren könnten. Vielleicht liefern die Befunde auch einen Erklärungsansatz dafür, dass Personen auf höheren Hierarchieebenen oft wenig vertrauensvolle Arbeitsbeziehungen berichten.

Fazit also: Wenn wir selbst anderen einen Gefallen tun, muss dies nicht immer die gewünschte Wirkung haben. Unabhängig von unserer eigentlichen Absicht kann es – gerade bei Empfängern, die eine Machtrolle innehaben – zu Misstrauen führen und so möglicherweise negative Reaktionen erklären. Ebenso können wir uns vielleicht bewusst machen, dass der erste Eindruck, den erhaltene Unterstützung bei uns selbst auslöst, nicht immer stimmen muss, und diesen Eindruck noch einmal hinterfragen.

Quellen:

Inesi, M. E., Lee, S. & Rios, K. (2014). Objects of desire: Subordinate ingratiation triggers self-objectification among powerful individuals. Journal of Experimental Social Psychology, 53, 19-30. doi: 10.1016/j.jesp.2014.01.010

Inesi, M. E., Gruenfeld, D. H, & Galinsky, A. D. (2012) How power corrupts relationships: Cynical attributions for others’ generous acts. Journal of Experimental Social Psychology, 48, 795–803. doi:  10.1016/j.jesp.2012.01.008