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New Work: Warum neue Arbeitswelten „beschäftigungsfähigere“ Mitarbeiter machen | Ein Interview mit Barbara Covarrubias Venegas

Um den aktuellen Herausforderungen einer volatilen Umwelt begegnen zu können, brauchen Organisationen eigenständige MitarbeiterInnen, die in verteilten Machtverhältnissen Entscheidungen treffen und verantworten. Studien zeigen, dass Eigenverantwortung die Motivation und Leistungsbereitschaft erhöhen kann und positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit hat. 

Um den aktuellen Herausforderungen einer volatilen Umwelt begegnen zu können, brauchen Organisationen eigenständige MitarbeiterInnen, die in verteilten Machtverhältnissen Entscheidungen treffen und verantworten. Studien zeigen, dass Eigenverantwortung die Motivation und Leistungsbereitschaft erhöhen kann und positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit hat. 

Dr.in Barbara Covarrubias Venegas ist Researcher im Studienbereich Personal & Organisation der FH Wien der WKW und beschäftigt sich seit über 8 Jahren mit dem Thema Neue Arbeitswelten. Nähere Informationen zum von ihr entwickelten Reifegradmodell finden Sie hier.

Barbara Kump: Du bist Expertin für Neue Arbeitswelten. Was zeichnet aus deiner Sicht das neue Arbeiten aus?

Barbara Covarrubias Venegas: Der technologische Wandel und die damit einhergehende Digitalisierung der Arbeitswelten, der verstärkte globale Wettbewerb und die Volatilität internationaler Märkte verlangen nach einer vernetzten Kollaboration, über Zeit- und Raumgrenzen hinweg – genau das zeichnet auch für mich neue Arbeitswelten aus.

Durch die zunehmende zeitliche und örtliche Flexibilisierung der Arbeit verändern sich die Anforderungen an die Arbeitsorganisation. Gültige Standards der Arbeitsbedingungen, Beschäftigungsformen und die Organisation der Arbeit unterliegen damit einem starken Wandel. Durch diese Flexibilisierung stoßen aber bislang erfolgreich eingesetzte Zusammenarbeits- und Führungsstrategien an ihre Grenzen, d. h. hier besteht großer Handlungsbedarf in den Unternehmen.

BK: Welche speziellen Anforderungen werden dadurch an MitarbeiterInnen gestellt? Anders gefragt, welche Art von MitarbeiterInnen braucht es, damit diese neuen Formen des Arbeitens umgesetzt werden können?

BCV: Um den aktuellen Herausforderungen adäquat begegnen zu können, fordern Unternehmen MitarbeiterInnen mit einer äußerst hohen Kompetenz und Beschäftigungsfähigkeit. Denn die erhöhte Agilität, durch die zahlreiche Organisationen flexibel auf Umwelteinflüsse und Veränderungen reagieren (müssen), erfordert auch flexibel einsetzbare und innovative MitarbeiterInnen. MitarbeiterInnen sind demnach verstärkt gefordert, sich als unternehmerisch denkende und handelnde Unternehmensmitglieder zu präsentieren und benötigen dafür entsprechende Handlungsspielräume. Der Erhalt und der Ausbau der Beschäftigungsfähigkeit von MitarbeiterInnen sind daher von großem Interesse für ArbeitgeberInnen.

BK: Welche Kompetenzen und Eigenschaften müssen MitarbeiterInnen in so einer Situation entwickeln? 

BCV: Arbeiten wird immer vernetzter und daher nehmen meiner Meinung nach auch die sozialen (kommunikativen) Kompetenzen einen höheren Stellenwert ein, denn je interdisziplinärer ich arbeite, desto mehr werden diese Kompetenzen auch gefordert. Wenn wir davon ausgehen, dass den Mitarbeitenden mehr Freiraum gelassen wird und Partizipation gefragt ist, braucht es außerdem eine stärker ausgeprägte Selbstorganisationsfähigkeit von MitarbeiterInnen, sowie die Kompetenz effektiv und effizient Informationen zu filtern und zu priorisieren. Ganz wesentlich ist auch – ob ArbeiterIn oder AngestelltE – unternehmerisches Denken und Handeln, denn verteilte Autorität bedeutet auch, dass nicht nur noch Führungskräfte (vorwiegend) Entscheidungen treffen.

BK: Woran erkenne ich Mitarbeiter, die für die neuen Arbeitswelten geeignet sind? Was macht die Beschäftigungsfähigkeit – die Employability aus?

Die Employability besteht aus drei Kernbereichen, die sowohl von ArbeitnehmerInnen selbst, als auch von ArbeitgeberInnen durch gezielte Maßnahmen gefördert werden können:

  1. Eigenständigkeit in der Entscheidungsfindung: d. h. es muss beispielsweise klar sein, für welche Bereiche man Entscheidungen treffen DARF
  2. Eigenständigkeit in der Arbeitsorganisation (erfordert wiederum Selbstorganisationsfähigkeit)
  3. Identifikation mit dem Unternehmen (Stichwort Commitment)

BK: Können alle Menschen das lernen oder sind manche dafür nicht geeignet?

BCV: Auf jeden Fall ist das erlernbar! Es geht aber nicht nur darum diese Kompetenzen zu erwerben, sondern sich auch in andere Organisationsformen einzufügen – hierarchielos(er) ist hier das Stichwort. Moderne Organisationen, die durch Autonomie der MitarbeiterInnen, partizipative Managementansätze oder teilautonome Arbeitsgruppen, die klassische hierarchische Struktur auflösen, limitieren dementsprechend auch die „traditionellen“ Aufstiegschancen „nach oben“ für MitarbeiterInnen aus dem Unternehmen. D. h. es gilt hier sich auch mit einer neuen, weniger hierarchischen Organisation „anzufreunden“, wo eine traditionelle Kaminkarriere nicht im Vordergrund steht, d. h. eine Abkehr von Statussymbolen, welche oft mit Führungspositionen assoziiert werden/worden sind und der klassischen Machthierarchie.

BK: Das heißt, Mitarbeitende sind durch die neuen Arbeitswelten ganz schön gefordert…?

BCV: Ja. Aber eine erst kürzlich in der DACH-Region durchgeführte Studie einer meiner Absolventinnen, Nicole Jaitner, hat gezeigt, dass sich die Mitarbeit in holakratischen Organisationen sich positiv auf die Employability von MitarbeiterInnen auswirkt. Die Studie, die wir im Magazin Training veröffentlicht haben hat gezeigt, dass Organisationen, welche ihren MitarbeiterInnen eine äußerst hohe Eigenständigkeit ermöglichen aber nicht holakratisch organisiert sind, eine noch stärkere Ausprägung der Employability aufweisen. Die Ergebnisse bestätigen die theoretischen Annahmen, dass sich erhöhte Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung der MitarbeiterInnen positiv auf Motivation und Qualifikation, und daher in weiterer Folge auf deren Beschäftigungsfähigkeit auswirken.

Auch der Erhalt und Ausbau der Kompetenzen und Qualifikationen kann durch die selbstbestimmte Arbeitsweise der MitarbeiterInnen gefördert werden, denn die Erweiterung der Aufgabengebiete und die Selbstorganisation der Arbeit fördern das Lernen am Arbeitsplatz.

Wichtig ist für mich aber auch zu berücksichtigen, dass Neue Arbeitswelten sehr hohe Anforderungen an Führungskräfte stellen – und wir wissen, dass diese in der immanenten Sandwichposition zwischen Top Management und MitarbeiterInnen per se schon in einem Spannungsfeld agieren.

BK: Das heißt, neue Arbeitswelten uns zu besseren, attraktiveren Mitarbeitenden. Muss ich dann als Arbeitgeber nicht noch stärker aufpassen, dass sie mir nicht abhanden kommen?

BCV: An dieser Stelle möchte ich nur folgendes bekannte Gesprächs-Zitat zwischen Finanzchef und Geschäftsführer zitieren (oft denke ich, kommt die Antwort auch vom Personalmanagement):

CFO: „What happens if we train our employees and they leave?”

CEO: „What happens if we don’t and they stay?“

BK: Wie kann ich diese MitarbeiterInnen aber trotzdem halten?

BCV: In einer von uns durchgeführten Studie zum Reifegradmodell zu den neuen Arbeitswelten wurde unter anderem diese Frage untersucht. Hier hat sich ein eigener Faktor für den Aspekt der Arbeitszufriedenheit und Engagement in der Arbeit herauskristallisiert. Wenn der Sinn und die Freude, die Erfüllung an einer Tätigkeit gegeben ist, das Umfeld partizipativ und wertschätzend ist, transparent Entscheidungen getroffen werden, ist die Chance sehr groß, dass MitarbeiterInnen überdurchschnittlich lange bei einem Unternehmen bleiben – und genau diese Aspekte zeichnen für mich u.a. Neue Arbeitswelten aus.

BK: Vielen Dank für das interessante Interview!