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Offene Bildung und Hochschulen – Ergebnisse des #ocwl11 Seminar

Aus Anlass des Open Course Workplace Learning 2011 (#ocwl11) veranstaltete die MFG Innovationsagentur in Zusammenarbeit mit Johannes Moskaliuk ein World Café zu „Lernen und Bildung im Social Web“ . An dem von Kristin Knipfer und mir moderierten Tisch gingen wir der Frage nach, wie Hochschule und offene Bildungsformate zusammenpassen. Ich fasse in diesem Beitrag, die aus meiner Sicht spannendsten Diskussionspunkte zusammen.

Aus Anlass des Open Course Workplace Learning 2011 (#ocwl11) veranstaltete die MFG Innovationsagentur in Zusammenarbeit mit Johannes Moskaliuk ein World Café zu „Lernen und Bildung im Social Web“ . An dem von Kristin Knipfer und mir moderierten Tisch gingen wir der Frage nach, wie Hochschule und offene Bildungsformate zusammenpassen. Ich fasse in diesem Beitrag, die aus meiner Sicht spannendsten Diskussionspunkte zusammen.

Verschultes, nach ECTS-Punkten strebendes Studium lässt wenig Raum für Selbsterfahrung und Experimente. Studierende erwarten heute mehr denn je klare Vorgaben dazu, wie sie zu den notwendigen Punkten kommen – oder genauer: Was sie tun müssen, um die Klausur am Ende einer Veranstaltung sehr gut zu bestehen. Es geht immer weniger darum, sich selbst und seine Kompetenzen zu entwickeln oder mal aus reinem Interesse etwas zusätzlich zu belegen. Es geht nicht um Profilbildung entsprechend eigener Vorlieben und Stärken, sondern um das Erfüllen von Standards.

Offene Bildungsformate – ermöglicht durch den Einsatz von Social Software – brauchen hingegen Raum für Selbstreflektion, Raum für Fehler und Raum für Unerwartetes. Sie fordern die Selbststeuerung aller Beteiligten. Lernende müssen aus einer Vielfalt an Informationsquellen auswählen, verschiedene Kommunikationskanäle managen und mit unterschiedlichen Perspektiven und gegensätzlichen Erfahrungen umgehen.

Interessanterweise hatten wir das alles schon einmal – nur ohne World Wide Web. Bei einem Rückblick auf unserer eigenes Studium waren wir uns einig: Gerade weil unser Studium nicht bis ins Kleinste vorstrukturiert war, mussten wir unsere Selbststeuerungsfähigkeiten entwickeln, Teamfähigkeit in Lerngruppen ausbilden und komplexe Wissensinhalte für Prüfungen aufbereiten.

Erfordert die Nutzung solcher offener Formate also einen Systemwechsel im Bildungssystem? Zurück zu einer höheren Selbststeuerung und Vielfalt? Und muss dieser Systemwechsel nicht schon viel früher beginnen? Schon in der Schulzeit werden schließlich wichtige Weichen gestellt.

Besondere Chancen für Hochschulen sahen wir zum einen in der Möglichkeit Menschen aus der Arbeitspraxis einzubinden und so die viel beklagte Kluft zwischen Theorie und Praxis zu verringern. Teilnehmende von außerhalb können die Fragen aus ihrer alltäglichen Arbeit einbringen und gemeinsam vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse diskutieren. Praxispartner können auch als Paten einzelne Themen betreuen und dabei durch Anwendungsfragen und Lösungsmöglichkeiten die Diskussion bereichern.

Zum anderen ermöglicht die Offenheit eines Open Courses Studieninteressierten Einblicke in Studieninhalte und macht so vielleicht sogar Lust auf ein bestimmtes Studium. Eine Hochschule und das entsprechende Studienfach können also mit Social Web Angeboten um Studierende werben und diese gleichzeitig darauf vorbereiten, was sie erwarten wird. Genauso kann über eine Verbindung mit Weiterbildungsmaßnahmen der Hochschule nachgedacht werden und entsprechende Zertifikate für Externe etabliert werden.

Welches Fazit kann man aus den Erfahrungen mit dem ersten Blended Open Course #ocwl11 dazu ziehen, wie offene Bildungsformate an Hochschulen gelingen können?

Um die Teilnahmeregelung und ggf. Zertifizierung sowohl für die Studierenden der Hochschule als auch für Teilnehmende von außerhalb sicherzustellen, müssen Hochschullehrer und Weiterbildungsverantwortliche in der Konzeption des Kurses zusammenarbeiten. Im Vorfeld sollte geklärt werden, wer was für welche Form der Zertifizierung zu tun hat. Da insbesondere Teilnehmende von außerhalb sehr unterschiedliche Ziele mit der Teilnahme an einer Veranstaltung verbinden, sollte zu Beginn auch Raum für die Festlegung individueller Lernziele gegeben werden.

Das Hineinfinden in die Social Web-Welt und ihre Technologien sollte nicht unterschätzt werden. Nicht jeder hat schon mal einen Blog-Beitrag geschrieben oder ist Mitglied auf Twitter. Auch wenn die technischen Hürden immer geringer werden, braucht es doch eine Einführung und Reflektion der Nutzung. Außerdem tickt das Web etwas anders als die Hochschule. Die Kommunikation ist schnell und folgt ihren eigenen Regeln. Individuelle Beiträge sind im Web für jeden sichtbar. Unentschieden waren wir in der Diskussion über geschützte Räume: Sollen Studierende noch geschützten Raum in ihrem Seminarraum haben, um Dinge vorzudiskutieren oder die Technik kennenzulernen? Wie viel geschützten Raum braucht es im Web selbst? Für die Einführung in die Social Web-Welt sowie für die Reflektion darüber im Laufe der Veranstaltung sollte so oder so zusätzlich Zeit eingeplant werden.

Schließlich sollten die unterschiedlichen Rollen im Kurs sowie die mit ihnen verbundenen Rechte und Pflichten transparent definiert sein und so als Orientierung dienen (siehe auch Johannes Präsentation). Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der  Rolle des Lehrenden: Er ist nicht mehr der alleinige „Wissensgeber“, sondern vor allem „Facilitator“ – wie es Johannes nennt. Er unterstützt den Lernprozess der Beteiligten, greift steuernd ein, fördert aber gleichzeitig die Verantwortung jedes Einzelnen für den eigenen Lernprozess.

Wie gesagt, kann dieser Beitrag nur einen kleinen Einblick in unsere Diskussion geben. Vielleicht möchten Teilnehmende der Diskussion noch etwas ergänzen?! Oder auch Teilnehmende des #ocwl11?! Was halten andere Hochschuldozenten, Weiterbildner oder Studierende von Offenen Bildungsformaten? Wo sind weitere Hindernisse oder besser Potentiale? Welche Rolle können solche Bildungsformate in der Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis spielen?

Bildnachweis: © Karl-Ernst Wodzicki