wissens.dialoge

Virtual Reality in der Führungskräfteentwicklung: Neue Möglichkeiten, neue Verantwortung

Die Digitalisierung führt zu massiven Änderungen in der Arbeitswelt. Diese Veränderungen betreffen vor allem 1) die steigende Autonomie der ArbeitnehmerInnen und die vermehrt nicht-routinierten Arbeitsprozesse, 2) die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens, d.h. sich kontinuierlich neues Wissen selbstständig anzueignen und 3) eine hohe Interdependenz durch die projektbezogene, autonome Teamarbeit (Wegman et al., 2017).

Ein Forschungsprojekt der TU München (Schwarzmüller et al., 2016) verdeutlicht, dass diese Veränderungen ganz neue Anforderungen an Führungskräfte stellen:

  • Die neuen digitalen Technologien bieten Möglichkeiten, Führung selbst zu „technologisieren“. Führung aus der Distanz und unter Nutzung digitaler Tools (z.B. Feedbackinstrumente, Kommunikationstools etc.) setzt neue technologische Kompetenzen bei Führungskräften voraus.
  • Arbeitsaufgaben in Unternehmen werden immer komplexer–was dazu führt, dass Führungskräfte nicht mehr fachlich anleiten. Führung von Mitarbeitenden bedeutet heute fördern, coachen und befähigen in Zeiten der permanenten Veränderung. Für Führungskräfte werden neben der fachlichen Expertise daher Kenntnisse zu Bereichen wie Mitarbeitermotivation und die Rolle einer motivierenden Vision immer wichtiger.
  • Führungspersonen sind Multiplikatoren der Digitalisierung. Sie sind gefragt, Orientierung zu geben und als Rollenmodell die Digitalisierung zu vertreten und zu steuern. Das erfordert neben technologischen Kenntnissen auch eine hohe Werteorientierung und Reflexionsfähigkeit der Führungskraft.

In einer deutschlandweiten Befragung von Führungskräften durch die TUM Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement in Kooperation mit der Wertekommission gaben jedoch 33,9 % der Führungskräfte an, dass sie nicht angemessen auf die Digitalisierung vorbereitet seien (Hattendorf, Heidbrink, Egorov, Peus, & Pircher-Verdorfer, 2017). Hier ist die wissenschaftliche Weiterbildung gefragt. Sie muss die neuen Anforderungen an Führungskräfte in der Arbeitswelt 4.0 aufgreifen und sowohl Weiterbildungsinhalte durch die Vermittlung digitaler Führungskompetenzen erweitern als auch digitale Weiterbildungsformate einsetzen.

Digitale Lehr-/Lernformate, wie z.B. Lernen in der virtuellen Realität, erlauben es Führungskräften, die neuesten technologischen Entwicklungen kennenzulernen und eigene Erfahrungen mit deren Chancen (und Risiken) zu machen. Digitale Bildungstechnologien wie Virtual Reality ermöglichen es außerdem, mit verschiedenen Verhaltensweisen zu experimentieren, schnelles Feedback zu erhalten und die eigene Führungskompetenz in „sicherer Umgebung“ weiterzuentwickeln. Durch Virtual Reality können Führungspersonen Erfahrungen–oft auch auf spielerische Art und Weise–machen und direkt erleben, welche Auswirkungen ihr Verhalten hat.

Weiterbildung muss deshalb die Veränderungen, die die Arbeitswelt 4.0 mit sich bringt, als Chance sehen, um auch die Führungskräfteentwicklung neu zu denken. Daran arbeite ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen des Center for Digital Leadership Development. Wir setzen seit kurzem in den Executive MBA Programmen der TUM auch Virtual Reality ein. Konkret haben wir im Februar 2019 einen ganzen Tag unter dem Motto „Become your own ideal leader“ gestaltet und zusammen mit str8labs viele Möglichkeiten für systematisches Feedback, strukturierte Reflexion, Rollenspiele und Übungen in der Virtual Reality geschaffen. Neben unserem digitalen Coach EMMA ist das eine weitere spannende Ergänzung unseres Leadership Development Ansatzes.

Bei allen tollen, neuen Möglichkeiten, die Virtual Reality im Trainingsbereich bietet, darf man aber auch die Verantwortung nicht außer Acht lassen, die mit dem Einsatz neuer, immersiver Technologien einhergeht. Mein Research Lab Leadership | Learning | Innovation beschäftigt sich deshalb im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung von Führungstrainings auch mit den Risiken von Virtual Reality.

Konkret hat Artem Bliznyuk eine kurze Zusammenschau der ethischen Aspekte von Virtual Reality in Forschung und Praxis erstellt, die auf unserer Homepage zum Download zur Verfügung steht: http://www.rm.wi.tum.de/tum-research-lab-lli/beitrag/

In unseren Ethischen Richtlinien zum Einsatz von Virtual Reality im Trainingsbereich werden 7 Prinzipien diskutiert, von der Wahrung der Autonomie bis hin zur Transparenz in Bezug auf Ziele und mögliche „Nebenwirkungen“. Wir haben die in der Forschung beschriebenen Risiken zusammengefasst und für (fast) alle davon praktische Empfehlungen formuliert.

Unser Zwischenfazit:

Um effektiv in der Arbeitswelt 4.0 agieren zu können, müssen Führungskräfte Vertrauen in digitale Technologien entwickeln und als Vorbilder Akzeptanz für neue Entwicklungen schaffen. Dafür müssen sie die neuesten technologischen Entwicklungen kennenlernen und eigene Erfahrungen mit deren Chancen (und Risiken) machen. Erst in der persönlichen Auseinandersetzung können sich Führungskräfte eine reflektierte Meinung bilden, die Möglichkeiten für die eigene Arbeitspraxis erschließen und die Digitalisierung glaubwürdig in den Unternehmen vorantreiben. Durch die Einbindung von Technologien in Weiterbildungsmaßnahmen kann das gelingen. Aber wir möchten gleichzeitig durch unsere Überlegungen zu den ethischen Aspekten des Einsatzes von Virtual Reality einen bewussten und verantwortungsvollen Einsatz von digitalen Bildungstechnologien fördern.

Die Digitalisierung führt zu massiven Änderungen in der Arbeitswelt. Diese Veränderungen betreffen vor allem 1) die steigende Autonomie der ArbeitnehmerInnen und die vermehrt nicht-routinierten Arbeitsprozesse, 2) die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens, d.h. sich kontinuierlich neues Wissen selbstständig anzueignen und 3) eine hohe Interdependenz durch die projektbezogene, autonome Teamarbeit (Wegman et al., 2017).