wissens.dialoge

Wie „Klebstoff“ zu „Benzin“ wird : Perspektivenübernahme in Wettbewerbssituationen

Sich in die Perspektive seines Gegenübers hinein zu versetzen, kann kooperatives Verhalten und damit Teamarbeit fördern. Allerdings kann es auch vorkommen, dass dadurch unethische Impulse verstärkt werden.

In manchen Situationen zeigt sich allerdings das genaue Gegenteil: Nämlich in Wettbewerbssituationen , z.B. wenn sich zwei Teamkollegen auf dieselbe Beförderung bewerben. Denn hier versuchen sie jeweils, sich in ihr Gegenüber – einen Konkurrenten – hineinzuversetzen. Die beiden Kollegen, die sich früher unterstützt haben, wollen sich nun gegenseitig auszustechen – und das gerade dann, wenn sie versuchen, sich in den Anderen hineinversetzen. Perspektivenübernahme scheint hier also eher das „Benzin“ zu sein, das bereits „glühende Wettbewerbstendenzen“ in Flammen setzt. Dies äußert sich nicht nur in einer erhöhten Bereitschaft zu unethischem Verhalten, sondern auch in dessen tatsächlicher Ausführung. Warum ist das so?

wissens.blitz (180)

Funktionierende zwischenmenschliche Beziehungen, ob bei der Arbeit oder in der Freizeit, basieren darauf, dass man sich in sein Gegenüber hineinversetzen kann („Wie erlebt der/die andere gerade die Situation?“). Diese Annahme ist sowohl in der Bevölkerung, als auch in der Wissenschaft weit verbreitet. Aber ist diese Perspektivenübernahme  tatsächlich der „Klebstoff“, der Teamkollegen wirkungsvoll zusammenhält? Tatsächlich fällt die Teamarbeit in vielen Situationen leichter, wenn wir unser Gegenüber und seine Perspektive verstehen. Mitarbeitende, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiten und sich vorstellen, was ihr Teampartner wohl denkt und wahrnimmt, unterstützen sich gegenseitig und zeigen so eine bessere Leistung.

In manchen Situationen zeigt sich allerdings das genaue Gegenteil: Nämlich in Wettbewerbssituationen , z.B. wenn sich zwei Teamkollegen auf dieselbe Beförderung bewerben. Denn hier versuchen sie jeweils, sich in ihr Gegenüber – einen Konkurrenten – hineinzuversetzen. Die beiden Kollegen, die sich früher unterstützt haben, wollen sich nun gegenseitig auszustechen – und das gerade dann, wenn sie versuchen, sich in den Anderen hineinversetzen. Perspektivenübernahme scheint hier also eher das „Benzin“ zu sein, das bereits „glühende Wettbewerbstendenzen“ in Flammen setzt. Dies äußert sich nicht nur in einer erhöhten Bereitschaft zu unethischem Verhalten, sondern auch in dessen tatsächlicher Ausführung. Warum ist das so?

Unethisches Verhalten im Wettbewerb als vorbeugende Maßnahme

In Wettbewerbssituationen zeigen wir manchmal unethisches Verhalten – z.B. halten wir womöglich wichtiges Wissen zurück, geben falsche Informationen weiter etc. Dies geschieht nicht aus reiner Boshaftigkeit, sondern um uns selbst zu schützen. Wenn wir uns in einen Konkurrenten hineinversetzen, richten wir unsere Aufmerksamkeit vor allem auf unsere gegensätzlichen Interessen und vermuten, dass wir von unserem Konkurrenten hinters Licht geführt werden. Ebenso sinkt unser Vertrauen in dessen Ehrlichkeit.

Um am Ende nicht den potentiell unethischen Methoden unseres Konkurrenten zum Opfer zu fallen, kommen wir ihm also zuvor – indem wir uns selbst unethisch verhalten. Menschen scheinen dabei sogar eine Denkweise zu verfolgen, die den Selbstschutz so sehr in den Vordergrund stellt, dass wir uns oft auch in nachfolgenden Situationen unethisch verhalten – obwohl diese überhaupt nichts mit dem eigentlichen Wettbewerb zu tun haben (siehe auch Wissensblitz 144).

Perspektivenübernahme ist also mit „Vorsicht zu genießen“: Je nach Kontext kann sie spontane Impulse, kooperativ oder kompetitiv zu handeln, verstärken – sodass man sich gegenüber Teammitgliedern entweder unterstützender oder unethischer verhält.

Perspektivenübernahme zum richtigen Zeitpunkt

Unethisches Verhalten kann die Arbeit in Teams erschweren. Denkbare Folgen sind weniger Zufriedenheit mit der Arbeit und schlechtere Leistungen im Team. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, gilt es also, Perspektivenübernahme richtig einzusetzen.

Steht die Zusammenarbeit bei einer Aufgabe im Vordergrund, sollten die Mitarbeitenden versuchen sich in den anderen hineinzuversetzen. In Wettbewerbssituationen sollte jedoch genau das verhindert werden. Mitarbeitende sollten sich dann stärker auf sich selbst konzentrieren.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Zusammenarbeit zwischen Teamkollegen mehr in den Vordergrund zu stellen. So können beispielsweise Belohnungen für das gesamte Team (statt für einzelne Mitglieder) das Konkurrenzdenken reduzieren. Wettbewerb sollte also eher zwischen verschiedenen Teams, als innerhalb eines Teams, stattfinden. Auch Teambuilding-Maßnahmen könnten einen wertvollen Beitrag leisten. Ein gesteigertes Vertrauen der Teammitglieder untereinander kann verhindern, dass man die Ehrlichkeit der Kollegen anzweifelt und unethisches Verhalten von ihnen erwartet. Somit könnte das „Feuer“ bereits gelöscht werden, bevor das „soziale Benzin“ seine Wirkung entfaltet.

Literaturnachweis: Pierce, J. R., Kilduff, G. J., Galinsky, A. D. & Sivanathan, N. (2013). From Glue to Gasoline: How
Competition Turns Perspective Takers Unethical, Psychological Science, 24, 1986-1994.

Zitieren als: Winter, K. (2017). Wie „Klebstoff“ zu „Benzin“ wird: Perspektivenübernahme in Wettbewerbssituationen. wissens.blitz (180). https://wissensdialoge.de/wie-klebstoff-zu-benzin-wird-perspektivenuebernahme-in-wettbewerbssituationen