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Veränderungen: Die Zukunft als „Raum voller Möglichkeiten“ betrachten

Das klassische Verständnis von Veränderungen geht davon aus, dass die Vergangenheit auf die Gegenwart und diese wiederum auf die Zukunft wirkt. Ein neuer Ansatz schlägt vor, die Zeitachse umzudrehen und die konkrete Zukunft als nur eine von vielen Möglichkeiten zu betrachten, die „in die Gegenwart fließen“.

Der sogenannte Quantum Approach to Time and Change (QATC) Ansatz, dreht die als „normal“ angenommene zeitliche Abfolge Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft um: Die Zukunft wird als etwas betrachtet, das langsam in die Gegenwart übergeht, ähnlich wie bei einer Zugfahrt, bei der es scheint, als ob der Horizont auf einen „zufährt“. Der QATC-Ansatz versteht also Veränderungen als „Fluss“ von der Zukunft in Richtung Gegenwart und Vergangenheit.

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Lehrbücher und Fachartikel sind sich einig: Um erfolgreich strategische Veränderungen umzusetzen, muss die Vergangenheit analysiert werden, um daraus Implikationen für die Gegenwart und Zukunft abzuleiten. Beispielsweise wird aus dem Erfolg vergangener Investitionen eine allgemeine, für die Zukunft „erfolgversprechende“ Investitionsstrategie abgeleitet. Das Problem dabei ist, dass bei solchen rückbezüglichen Betrachtungen nur jene Handlungen und Ereignisse analysiert werden könnnen, die tatsächlich stattgefunden haben (z.B. tatsächlich getätigte Investitionen). Handlungsalternativen (z.B. andere Kapitalanlagen) und deren Erfolgswahrscheinlichkeit bleiben unberücksichtigt. Durch diesen beschränkten Blick kommt es bei vergangenheitsbasierten Vorhersagen oft zu Fehleinschätzungen für die Zukunft, was beispielsweise dazu führen kann, dass eigentlich bessere Handlungsalternativen ungenutzt bleiben, Innovation stagniert oder Entwicklungspotenzial nicht ausgeschöpft wird.

Der QATC-Ansatz: Von der Zukunft zur Gegenwart

Der sogenannte Quantum Approach to Time and Change (QATC) Ansatz, dreht die als „normal“ angenommene zeitliche Abfolge Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft um: Die Zukunft wird als etwas betrachtet, das langsam in die Gegenwart übergeht, ähnlich wie bei einer Zugfahrt, bei der es scheint, als ob der Horizont auf einen „zufährt“. Der QATC-Ansatz versteht also Veränderungen als „Fluss“ von der Zukunft in Richtung Gegenwart und Vergangenheit.

Im QATC-Ansatz wird die (ferne) Zukunft als nahezu unbegrenzter Möglichkeitsraum gesehen (d.h. es kann quasi „alles“ geschehen), der – je näher er an die Gegenwart kommt – immer stärker durch die vorherrschenden Gegebenheiten eingeschränkt wird. Für Organisationen ergeben sich die Einschränkungen auf ineinander verschachtelten Ebenen – Individuum, Dyade, Gruppe, Gesamt-Organisation – sowie durch möglichen Kombinationen und Wechselwirkungen dieser Ebenen (siehe Tabelle).

 

Ebene Einschränkung (Beispiele)
Organisation Kultur, vorhandene Ressourcen, bestehende Organisations-Strukturen
Gruppe Netzwerkstruktur, Team-Routinen
Dyade Beziehungsqualität, Vertrauen
Individuum Selbstkonzept, kognitive Strukturen, Körperbau

 

Beispielsweise können in einer Entscheidungssituation für oder gegen ein neues Produkt die gegenwärtige, eher kritische Einschätzung einer Führungskraft sowie deren Selbstbild als „vernünftige Person“ (individuelle Ebene), deren mangelndes Vertrauen in die Geschäftsführerin (Dyade), Konflikte in der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen, die das Produkt entwickeln und vertreiben sollen (Gruppe) sowie die eher sicherheitsorientierte Organisationskultur (Gesamtorganisation) zu einer Entscheidung gegen die Entwicklung des neuen Produktes führen. Durch die Wechselwirkung der Einschränkungen auf allen Ebenen werden die potenziell unbegrenzten Möglichkeiten einer fernen Zukunft schrittweise limitiert (z.B. sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses mögliche Produkt in der nahen Zukunft entwickelt wird).

Die Kombination von Einschränkungen auf verschiedenen Ebenen macht bestimmte Ereignisse (z.B. Produktentwicklung) in der Zukunft also wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich. Eine Veränderung in der Konfiguration von Einschränkungen kann daher massive Auswirkungen auf die gesamte Organisation in der fernen Zukunft haben, die nur schwer vorhersagbar sind. Je näher die Vergangenheit und die Zukunft zusammenliegen, desto akkurater sind mögliche Vorhersagen und „Forecasts“.

Praktische Implikationen

Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass v.a. die ferne Zukunft sich nicht unmittelbar und vollständig aus der Vergangenheit und Gegenwart vorhersagen lässt. Daher sollte insbesondere die langfristige Planung der Umsetzung strategischer Entscheidungen ein hohes Maß an Flexibilität erlauben. Da der Hauptgrund für das „Entfalten“ einer bestimmten Zukunft die Kombination möglicher Einschränkungen ist, sollten Führungskräfte sehr viel Wert auf die gezielte Zusammenstellung von Teams oder anderen Organisationseinheiten legen.

 

Literaturnachweis: Lord, R. G., Dinh, J. E., & Hoffman, E. L. (2015). A quantum approach to time and organizational change. Academy of Management Review, 40(2), 263–290.

Zitieren als: Kump, B. (2017). Veränderungen: Die Zukunft als Raum voller Möglichkeiten betrachten. wissens.blitz (182). https://wissensdialoge.de/Zukunft-voller-Möglichkeiten